Kein Zinserlass bei unklarer Erbfolge


Copyright: https://de.123rf.com/profile_melpomen

Der BFH hat sich mit der Frage beschäftigt, ob bei unklarer Erbrechtssituation eine Vollverzinsung ausgelöst wird und später ggf. ein Zinserlass gewährt werden darf.
Die Vorschrift des § 233a AO regelt grundsätzlich die Vollverzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen. Mit der Verzinsung soll das Interesse der Gleichmäßigkeit der Besteuerung gewahrt werden. Es soll ein Ausgleich dafür geschaffen werden, dass die Steuern trotz gleichen gesetzlichen Entstehungszeitpunkts, aus welchen Gründen auch immer, zu unterschiedlichen Zeitpunkten festgesetzt und erhoben werden. Wettbewerbsverzerrungen sollen vermieden werden.
Derjenige, dessen Steuer ganz oder zum Teil zu einem späteren Zeitpunkt festgesetzt wird, hat gegenüber demjenigen, dessen Steuer bereits frühzeitig festgesetzt wird, einen Liquiditäts- und damit auch einen potenziellen Zinsvorteil. Dieser Vorteil ist umso größer, je höher der nachzuzahlende Betrag ist und je später die Steuer festgesetzt wird. Durch die Sollverzinsung sollen der Liquiditätsvorteil des Steuerpflichtigen und seine damit verbundene erhöhte steuerliche Leistungsfähigkeit abgeschöpft werden.

Im Urteilsfall wurde der folgende Sachverhalt geschildert:
- Tod des Rechtsvorgängers in 2012, der Verstorbene hinterließ mehrere Testamente.
- Der Erbschein konnte wegen unklarer Rechtsnachfolge erst in 2018 ausgestellt werden.
- Als Erben wurden 3 Personen benannt.
- Gegen die dreiköpfige Erbengemeinschaft wurden in 2019 Feststellungsbescheide für die Jahre 2012 bis 2017 mit Einkünften aus Gewerbebetrieb, Kapitalvermögen und Vermietung und Verpachtung erlassen.
- Die Einkommensteuerbescheide der Jahre 2012 bis 2017 der Erben wurden nachträglich auf Grundlage der ergangen Feststellungsbescheide geändert und voll verzinst.
- Das Finanzamt lehnte einen Zinserlass ab.
Als Grund für die Ablehnung wurde aufgeführt, dass ein Grundlagenbescheid, der auch viele Jahre nach Ende des Veranlagungszeitraums erlassen oder geändert wird, zu einer Zinspflicht unter Berücksichtigung der Karenzzeit führt.
Allein der Umstand, dass der Steuerpflichtige aufgrund der unklaren Erbrechtssituation nicht in der Lage war, die Besteuerungsgrundlagen früher zu ermitteln beziehungsweise zu schätzen und eine Vorauszahlung auf die zu erwartenden Steuern zu leisten, um eine Zinsentstehung zu verhindern oder jedenfalls zu reduzieren, begründet keine sachliche Unbilligkeit. Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis können nur erlassen werden, wenn deren Einziehung nach Lage des Einzelfalls unbillig ist (§ 227 AO). Eine Unbilligkeit hat der BFH jedoch verneint, weil durch die spätere Festsetzung der Einkommensteuer die Möglichkeit der Kapitalnutzung bestand und damit ein zumindest theoretischer Liquiditätsvorteil vorlag.
Quelle: BFH